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„Die Verlierer sind die Bürger unserer Stadt“


03.05.2016 – 16:29

Der Stadtrat verabschiedete heute einstimmig die Bewerbung um das Digitale Gründerzentrum – Nur bei der Unterbringung im Kavalier Dallwigk gehen die Meinungen auseinander und es gab auch einige Gegenstimmen

Von Michael Schmatloch

Es ist viel von Bürgerbeteiligung die Rede dieser Tage. Hätte man dieses Verfahren in Anspruch genommen, um die gewünschte Bebauung des Gießereigeländes abzufragen, es sähe vermutlich völlig anders aus als es heute eben aussieht. Und vor allem gäbe es sicher Bereiche auf dem Gießereigelände, die den Ingolstädter Bürgern als Aufenthalts- und Erholungsort zur Verfügung stünden. Wie es der Stadtrat ja einst auch beschlossen hatte mit Grünanlagen, einer opulenten Donauterrasse und gastronomischen Anziehungspunkten.

Davon aber ist absolut nichts mehr übrig geblieben. Das Gießereigelände ist kein neues innenstadtnahes Viertel geworden, sondern eines, in dem die Ingolstädter wenig zu suchen haben. Von Studenten, Kongressteilnehmern und „Audi-Akademikern“ einmal abgesehen. Und nun eben auch von digital Gründungswilligen. Und von der viel zitierten Gastronomie auf dem Dach des Dallwigk, einem der schönsten Aussichtspunkte der Stadt, von der spricht man in CSU-Kreisen lediglich noch als einer „möglicherweise integrierbaren“ Gastronomie.

Genau das mahnte SPD-Stadtrat Manfred Schuhmann heute in der Sitzung des Stadtplanungsausschusses und auch in der anschließenden Stadtratssitzung an, als es um die Bewerbung für das digitale Gründerzentrum im Kavalier Dallwigk ging. „Ingolstadt vertut eine große Chance“, meinte Schuhmann und setzte noch einen drauf: „Walter Schober streckt seine Arme wie eine Krake aus.“ Und meint damit die Tatsache, dass sich die Technische Hochschule große Teile dieses Filetgrundstückes einverleibt hat. Und das jetzt mit dem digitalen Gründerzentrum im Kavalier Dallwigk zu einem für Schuhmann fatalen Ende bringt. „Das entspricht nicht dem, was wir 20 Jahre vorgesehen hatten“, meinte er. „Aus Ihrer Sicht ist dies das Optimale, aus unserer Sicht das Fatale“, sagte er in Richtung Regierungsbank.

Um keinen falschen Eindruck zu erwecken, neben der Mehrheitspartei und ihrem freiwählerischen Anhang sind alle Oppositionsparteien inklusive der SPD für das digitale Gründerzentrum, um das sich neben Ingolstadt auch Rosenheim und München-Land bewerben. Nur eben nicht im Kavalier Dallwigk. Und so stimmte der Stadtrat auch geschlossen für die Bewerbung um das Digitale Gründerzentrum, nicht aber für den Standort Kavalier Dallwigk. Obwohl CSU und sogar Bürgermeister Sepp Mißlbeck bis zuletzt versucht hatten, die Einstimmigkeit doch noch auch in diesem Punkt herbeizuführen.

Und es kam sogar noch zu einem kleinen Eklat im Stadtrat, als Bürgermeister Wittmann die Diskussion per Geschäftsordnung abbrechen lassen wollte. Und es gegen den vehementen Protest von Petra Kleine und auch den von Gerd Werding (FW) mit 27 zu 20 Stimmen auch schaffte.

Die Standortdiskussion ermunterte Manfred Schuhmann zu der generellen Kritik an der Nutzung  dieses „Filetgrundstücks europäischen Ausmaßes“, auf dem schon der Bau der Carissma-Forschungshalle eine Sünde gewesen sei. Immer seien auch die Kultur und die Allgemeinheit im Fokus gewesen. „Es geht nicht nur um die Entwicklung der Stadt, sondern auch um die kulturelle Entwicklung.“ Und die Verlierer in dieser Sache, das seien die Bürger von Ingolstadt.

Er plädierte für einen spezifischen Neubau für das Gründerzentrum, der schneller und wahrscheinlich auch billiger zu realisieren gewesen wäre. Und das müsse seiner Meinung nach auch nicht unbedingt in der Innenstadt sein. „Aber es geht Ihnen ja nur darum, das Dallwigk möglichst kostengünstig zu sanieren“, wetterte er im Ausschuss und im anschließenden Stadtrat und liegt damit sicher nicht ganz verkehrt.

Dass er nicht ganz schief liegt, formulierte Hans Achhammer (CSU) selbst: „Wir haben die einmalige Chance, das Dallwigk zu sanieren.“ Und appellierte an die Opposition, den Vorschlag mitzutragen, dass Kavalier an das Gründerzentrum zu vergeben.

Christoph Lauer von den Grünen brachte noch einen anderen Gedanken ins Spiel. Es sei das absolut richtige Projekt für Ingolstadt, aber für ihn eher zu klein gedacht. „Wir stellen uns vor, dass man größer denken und aus dem digitalen Gründerzentrum ein Leuchtturmprojekt werden lassen könnte.“ Nicht zuletzt deswegen ist auch er nicht überzeugt, dass das Dallwigk der ideale Ort ist. „Mit einem Neubau wären wir besser beraten gewesen.“

Auch die Grünen sehen im Dallwigk also – aus zweierlei Gründen sogar – nicht die optimale Lösung, wie Petra Kleine im Stadtrat noch einmal ausführte. Und sogar eher der falsche Ansatz, um den Wettbewerb zu gewinnen. „Wenn Sie das geschlossene Signal gesucht hätten, dann hätten Sie mit dem Planungen anders umgehen können und auf die zugehen müssen, die jahrelang ein Donaumuseum geplant haben“, so Petra Kleine in Richtung Oberbürgermeister, „zumindest hätten Sie Alternative überprüfen und über einen Plan B nachdenken müssen.“ Sie warf dem Oberbürgermeister schlechtes Management vor. Er habe damit viel Porzellan zerschlagen.

„Wir halten die baulichen Überlegungen für zu klein gedacht. Wenn ich auch baulich einen Leuchtturm daraus machen will, muss ich mir um die Gestaltung ganz andere Gedanken machen“, so Kleine weiter. Ein Architekturwettbewerb wäre eigentlich das gebotene Mittel.

Das unterstrich auch Achim Werner (SPD) im Stadtrat. Er ging sogar soweit, das Gründerzentrum auch zu installieren, selbst wenn Ingolstadt den Zuschlag der Regierung und damit die Fördergelder nicht bekommen sollte. Aber das Vorgehen der Stadt sei eben falsch gewesen. „Hätte man Geschlossenheit gewollt, dann hätte man es anders aufziehen müssen. Sie sind mit ihrem Vorgehen gescheitert“, sagte auch er dem OB, „wann immer ich höre, etwas wäre alternativlos, dann läuten bei mir die Alarmglocken.“ Das Dallwigk sei für ihn etwas, wo die Bürger jeden Tag hingehen können müssen.

Für Christian Lange (BGI)  ist es Zeichen des „Hauruckverfahrens“, das Dallwigk als sozusagen alternativlosen Standort für das Gründerzentrum zu verwenden. Und dass der Standort, wie er meinte, nicht der beste ist, das werde sich spätestens dann zeigen, wenn es schlicht zu eng wird, wenn dieses Gründerzentrum ein Erfolg werden sollte. „Sie sind schon mal wieder über einen ihrer Kardinalfehler gestolpert“, meinte Lange in Richtung Regierungsbank, „und der heißt Intransparenz.“ Lange schlug vor, die Entwicklungsmöglichkeiten auf dem Gelände wenigstens offen zu lassen und deswegen auf Kongresshotel und Kongresszentrum zu verzichten.

Eine eigentlich konsequente Forderung. Denn die diversen Nutzungen, denen das Gießereigelände gerecht werden soll, sind in der Tat überaus umfangreich und wohl nur zu realisieren, wenn keinerlei Entwicklung in der Zukunft mehr stattfindet. Weder von Seiten der Hochschule, noch von Seiten des digitalen Gründerzentrums. Und gerade diese in hohem Maße zukunftsorientierte Institution, die der Grundstein sein könnte für ein Ingolstädter „Silikon Valley“, wird mit der Entscheidung, es in den historischen Bau nebst Anbau zu pferchen, von Anfang an zum kleinkarierten Bauchladen degradiert.  Und der so genannte Bürger zur persona non grata auf diesem Areal, das einst als neues Stadtviertel gedacht war.


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