Jean-Pol Martins Blog

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Kontrolle, kognitiver Halt und Glück


Resume Wenn es stimmt, dass das Kontrollgefühl Glück verschafft, so liegt eine Glückschance darin, mit kognitiven Instrumenten relevante Wissensgebäude zu konstruieren, Stein für Stein.

1. Stabilität in einer turbulenten Welt

Wie jeder andere Mensch auch gerate ich im realen Leben gelegentlich in Turbulenzen. Beispielsweise stürtzt mich mein Haus in der Bretagne regelmäßig in hohe Kontrollverlustphasen (z.B. wenn Jugendliche das Haus in Brand stecken, wie vor 4 Jahren, oder wenn wieder einmal eine Mauer zusammenfällt). Um die entsprechenden emotionalen Aufwallungen „in den Griff“ zu bekommen, muss der kognitive Apparat sehr stark mobilisiert werden. Ich zwinge mich in einer solchen Situation zu fokussieren auf das, was in meinem Leben existentiell ist und gut funktioniert (z.B. dass ich einen sicheren Job habe) und finde sehr schnell Halt. Es macht natürlich auch Spaß, meiner Umwelt zu demonstrieren, dass man auch sehr rasch in sochen Situationen seine gute Laune wiederfinden kann. Schließlich ist – um das oben genannte Beispiel wiederaufzugreifen – ein Haus in der Bretagne Luxus.  Noch hilfreicher ist es, wenn man seine Kognition nicht nur nützt, um Probleme anzugehen, also remedial, sondern prinzipiell versucht, von früh bis abend durch intellektuelle Anstrengung Wissensgebäude zu konstruieren.  Auf diese Weise kann man versuchen, was im realen Leben durch unvorhersehbare Katastrophen zerstört wird, durch die Konstruktion von Wissen im abstrakten Leben aufzuwiegen.

2. Meine Konstruktion zur Zeit: die Geschichte Europas

Es gibt zahlreiche relevante Erkenntnisräume, die einem intransparent und verschlossen bleiben. Diesen gegenüber fühlt man sich hilflos, ausgeliefert. Das ist das Gegenteil von Kontrolle und tendenziell bedrohlich. Instransparent ist beispielsweise die künftige Entwicklung der Weltwirtschaft. Die Geschichte der Menschheit ist zwar auch opak, aber da die Fakten bereits vorliegen, kann man durch starke Anstrengung versuchen, sie zu rekonstruieren, und somit über einen relevanten Wissensbereich Kontrolle gewinnen. Man muss sich natürlich bemühen, einige wenige entscheidende Faktoren für die Entwicklung menschlicher Gesellschaften herauszuarbeiten, um mit diesen Instrumenten klare Linien zu erkennen. Ein Beispiel: es gibt seit Beginn der Menschheit nur 5 Organisationsformen: Jäger und Sammler, Nomaden, einfache farming-societies, komplexe farming societies (chiefdoms), Staaten (Stadtstaaten, Königreiche) mit festen, unabänderlichen Merkmalen. Oder ein anderes Beispiel: In Ägypten vollzog sich einen Übergang vom zentralistischen Staat zum Feudalismus als die Pharaone mächtigen Gefolgsleuten Gebiete zunächst zu Lehne gaben und dann als Erbpacht überließen. Dieses Phänomen taucht an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten immer wieder auf (z.B. in Europa nach der Aufteilung des Reiches von Karl dem Großen oder in Japan ) . Solche Erkenntnisse liefern auch Schlüssel um zu verstehen, was sich heute in der Welt abspielt, oder auch im Internet, wo ebenfalls gesellschaftliche Organisationsstrukturen emergieren (ich glaube sogar, in Wikipedia feudalistische Elemente entdeckt zu haben).

Fazit: Durch die Herstellung kognitiver Kontrolle über komplexe Wissensbereiche kann ein Gefühl genereller Kontrolle entstehen, das einem ermöglicht, gelegentliche Kontrollverluste im realen Alltagsleben gut zu verkraften.


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7 Antworten zu “Kontrolle, kognitiver Halt und Glück”

  1. Dieses Gefühl genereller Kontrolle kann aber nie wirklich entstehen, da mit immer mehr Wissen auch die Gewissheit einhergeht, dass wir nichts wissen…
    Aber je mehr wir wissen, desto leichter können wir loslassen bzw. die „Kontrollverluste“ im Alltag nicht nur negativ bewerten. Durch (immer mehr) Wissen entsteht Vertrauen. Wenn wir Vertrauen haben, dann können wir wieder loslassen, die Kontrolle aufgeben… ein schönes Spiel 😉

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  2. @Alexander
    Richtig, wir können nicht alles wissen. Aber wir können allgemeine Prinzipien herausarbeiten, die uns ermöglichen, das Unverstandene soweit einzuordnen und instrumentell beherrschbar zu machen, dass es nicht bedrohlich wird.

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