Der Ingolstädter Didaktiker Jean-Pol Martin stützt seine Forderung auf Erkenntnisse der Glücks- und Bedürfnisforschung

Ferner orientieren sich die aktuellen Menschenrechte am Menschenbild der Aufklärung. Die zentralen Begriffe sind abstrakt und unterschiedlich interpretierbar. Dies gilt besonders für „Würde“ aber auch für „Gerechtigkeit“ und „Freiheit“. Es ist aufgrund dieser Unschärfe kaum möglich, die damit verbundenen Rechte im Alltag einzufordern. Wie soll ein Hartz-IV-Empfänger auf würdige Behandlung durch die Behörden konkret bestehen oder ein Paketzusteller sein Recht auf Freiheit einfordern? Ein weiteres Problem besteht darin, dass das Menschenbild der Aufklärung nicht weltweit akzeptiert wird. Es ist westlich geprägt und wird von Angehörigen anderer Kulturen nicht anerkannt.
Seit 1948 sind Wissenschaften entstanden, die neue Einsichten in die Funktionsweise des Menschen liefern, insbesondere die Bedürfnisforschung und die Glücksforschung. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Didaktiker habe ich mich im Laufe der letzten Jahrzehnte bemüht, ein Menschenbild aufzustellen, das konsensfähig ist und universelle Geltung beansprucht.
Das Ziel menschlichen Lebens ist das Glück. Diese Auffassung ist fest verankert in der philosophischen Tradition seit Aristoteles. Glück kann man definieren als die Befriedigung der Grundbedürfnisse auf einem individuell zu bestimmenden Niveau. In der Bedürfnisforschung wird die Pyramide von Abraham Maslow (1908- 1970), Gründungsvater der humanistischen Psychologie, als Bezugsmodell anerkannt. Maslow beschreibt fünf Stufen von Grundbedürfnissen, ausgehend von den physiologischen Bedürfnissen auf der unteren Stufe und gipfelnd in dem Bedürfnis nach Sinn auf der höchsten Ebene. Mehr braucht man nicht, um den Menschen und seine Funktionsweise zu verstehen.
Wenn die Aufgabe der Politik darin besteht, Bedingungen für die Befriedigung der Bedürfnisse zu schaffen, dann kann sie sich auf folgende Punkte konzentrieren: Artikel 1: Recht auf Gesundheit. Artikel 2: Recht auf Sicherheit – gemeint sind etwa Wohnraum und Arbeit. Artikel 3: Recht auf soziale Einbindung. Artikel 4: Recht auf Selbstverwirklichung und Mitwirkung. Artikel 5: Recht auf Sinn, der sich aus der Realisierung der vorhergegangenen Bedürfnisse ergibt. Ein Blick auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte zeigt, dass alle 30 Artikel sich den fünf oben genannten Rechten zuordnen lassen.
Im Gegensatz zu den tradierten Rechten, die defensiv formuliert sind, sind die neuen offensiv, und sie konzentrieren sich auf die Entfaltung des Menschen. Ferner hat die Liste durch ihren konkreten Bezug zum Leben den Vorteil, dass die Bürgerinnen und Bürger sich bei Forderungen auf diese Rechte direkt beziehen können. Darüber hinaus ist sie überschaubar und hilft den Politikern, vor Entscheidungen die zentralen Bedürfnisse ihrer Wähler im Blick zu behalten. Soll beispielsweise ein Altersheim aus ökonomischen Gründen aus dem Zentrum der Stadt an die Peripherie verlegt werden, so verletzt diese Maßnahme den Artikel 3, das Recht auf soziale Einbindung. Vor allem liefert die Liste ein Programm für jede politische Gruppe, die sich bei ihrer Arbeit an den Bedürfnissen der Bürger orientieren will.
7 Antworten zu “Wir brauchen neue Menschenrechte – Mein Gastbeitrag im Donaukurier”
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