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Sind „die Grünen“ wirklich so?


Aleks A., am 1. November 2010 um 06:21 sagte:

Jeanpol,

du stellst die berechtigte Frage auf, ob Grüne und Piraten das selbe Menschenbild haben können. Vielleicht schon. Die Unterschiede entstehen eher darin, was man für die politische und gesellschaftliche Arbeit herleitet. Und da sehe ich grundsätzlich Unterschiede zwischen deiner und meiner Partei.

Die Grünen sind technikkritisch bis hin zur technikfeindlichkeit, lehnen kategorisch Entwicklungen in Wissenschaft und Technik ab. Bestes Beispiel von meiner Zeit als Grüner: Die Gentechnik.

Auch in der Art, wie Politik die Gesellschaft verändern soll unterscheiden sich beide Parteien gewaltig: Während die Grünen auf den vorsorgenden Vater Staat setzen, der zur Not mit Verbote und Strafen die Geschehnisse lenkt, setzen die Piraten auf die größtmögliche Freiheit des Individuums, die nur in äußersten Fällen vom Staat eingeschränkt werden soll.

Die Grünen glauben nicht an den Bürger als mündiges Wesen, sondern behandeln ihn elitär als Masse, die gelenkt und gesteuert gehört.

Mir würden noch an Paar Punkte einfallen. Aber ich belasse es bei diesen zwei Kernpunkte, die die Unterschiede in der Einstellung zu Mensch und Gesellschaft – und in Folge in der Politik – klar stellen.

Ich werde interessiert verfolgen, ob die Grünen sich tatsächlich aus ihren kontrollierenden Positionen hin zu freiheitliche Positionen bewegen können. Die Entwicklung der Grünen zur staatstragenden, etablierten Partei lassen mich daran zweifeln. (…)

Schönen Gruß
Aleks


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10 Antworten zu “Sind „die Grünen“ wirklich so?”

  1. … ich denke nicht, dass ‚die Grünen‘ so oder so sind. Das zu sagen kann ohnehin nur falsch sein. Ich glaube aber, dass die Grünen — im Gegensatz zu den Piraten — eine Partei sein soll, die ins System passt und mit ihren Mitteln Mitbestimmung ermöglicht. Nicht mit totaler Basisdemokratie, die nicht Mkglich ist, sondern mit Partei-Politik, an der mitwirken kann wer will. Auch wenn hier natürlich einzuwenden bleibt, dass Parteien-Politik häufig elitär ist, finde ich den Vorwurf ersteinmal etwas unfair. Zum einen gibt es Wahlen, bei denen die Bürgerinnen und Bürger regelmäßig zeigen können, was sie von den Parteien halten (leider lassen sie sich dabei immer wieder von windigen Veraprechen einlullen) und zum anderen sind auch die Piraten ein auf ihre Weise elitärer Haufen — mitmachen müssen sie schließlich, bevor sie ins Sysem rin kommen um es von drinnen umzukrämpeln.

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  2. Offenbar ist bei manchen Piraten noch nicht angekommen, dass die Finanzkrise etwas mit Deregulierung zu tun hatte und dass ein energisches international koordiniertes Eingreifen der Staaten erforderlich war, um einen katastrophalen Zusammenbruch des Weltfinanzsystems zu verhindern. Bei den Grünen wurde das sehr wohl vermerkt.
    Ja, die Grünen sind so. Sie wissen, dass Staaten wichtige Funktionen haben, die von Banken und Internetprovidern allein nicht ausgefüllt werden können.
    Und es gibt auch viele Mitglieder der Piratenpartei, die das wissen.

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  3. „ich denke nicht, dass ‘die Grünen’ so oder so sind“

    Die Grünen sind so, wie sie ihre Entscheidungen treffen. Wieso sollte ich sie anders betrachten? Die Fakten sind die wichtigste Maßgabe.

    Und Entscheidungen wie das Durchwinken des JMStV entsprechen dem Wunsch, Gesellschaft durch Kontrolle zu beeinflussen. Allen Anschein aus Angst, dass die Bürger ihre Freiheit „falsch“ benutzen könnten.

    Es ist auch interessant, dass die Grünen mittlerweile eine Partei sein sollen die „ins System passt“, anstatt zuzusehen, dass sie stetig das System verändern. Der „lange Marsch durch die Institutionen“ hat wohl eher die Grünen als das System verändert. Damit haben die Grünen ein wichtiges eigenes Merkmal auf dem Altar der Macht geopfert.

    „dass Parteien-Politik häufig elitär ist, finde ich den Vorwurf ersteinmal etwas unfair.“

    Leider verkennst du, was ich als elitär angesehen habe. Nämlich die grundsätzliche Grüne Einstellung gegenüber dem Bürger.

    Ich habe deine Kritik an die Piratenpartei nicht verstanden. Es würde mich freuen, wenn du sie in anderer Form wiederholen könntest.

    Danke
    Aleks

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  4. Meine Kritik richtet sich hauptsächlich gegen die weit über die Piratenpartei hinaus grassierende Vorstellung, mit Basisdemokratie würde alles besser. Da wird bspw. immer wieder ein Volksentscheid auf Bundesebene gefordert, der — wie das schweizer Vorbild eindrucksvoll zeigte — leider schnell zu bürgerlicher Ignoranz und, im internationalen Kontext, nicht wirklich haltbaren Entscheidungen führt. Die Vorstellung des umfassend mündigen Bürgers ist m.E. eine Idee auf die nur Bürgerliche selbst kommen können, weil sie die in unserer hoch komplexen Gesellschaft weitreichende Unkenntnis der meisten Wahlberechtigten unterschätzen. Daran können m.E. auch Modelle wie die Liquid Democeacy nichts ändern.

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  5. @Hannes
    Zugegeben, als Alt-68er trage ich seit mehr als 40 Jahren die basisdemokratische Brille. Ich habe mich bemüht, stets die Ressourcen der Schüle zu mobilisieren (LdL-Methode), was gut funktionierte und übertrage dies auf die Politik. Daher bin ich sehr dankbar für kritische Beiträge, wie du hier welche lieferst. Ohne dies zu radikal zu sehen bin ich schon der Meinung, dass die Ressourcen der „Basis“ noch nicht genug ausgeschöpft sind und dass das Internet den Wunsch und die Fähigkeit, mehr zu partizipieren stark erhöhen wird. Aber man darf das Kind nicht mit dem Bad schütten. Danke also!

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  6. @Hannes: Was hat dein Einwand zu Basisdemokratie mit meinem Posting zu tun? Ich denke, gar nichts.

    „Die Vorstellung des umfassend mündigen Bürgers ist m.E. eine Idee auf die nur Bürgerliche selbst kommen können“

    Danke, du hast meine Aussage zu den Grünen bestätigt.

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  7. Man kann sich immer an ein paar einzelnen Beispielen aufhängen, um irgendwelche Vorwürfe zu „untermauern“. Basisdemokratie ist schlecht, weil in der Schweiz einmal ein populistischer Entwurf durch ging (was bei Parlamenten bekanntlich NIE passieren würde), die Grünen haben einen Kontroll-Wahn, weil einige Gruppierungen eine etwas wankelmütige Einstellung zum JMStV haben, die Piraten wollen den Iran bombardieren…

    Wenn man eine Partei ausschließlich nach den offiziellen Entscheidungen betrachten wollte (wenn ich die Kontroversen um den BGE-Aufruf richtig verfolgt hab, dürfte das aber auch einigen Piraten gar nicht so recht sein 🙂 ), dürfte man einerseits nicht Blog-Postings als Bestätigung der eigenen Meinung ansehen, und müsste andererseits auch die volle Bandbreite der Entscheidungen betrachten, nicht nur einzelne Herausgepickte. Mir erscheint es, dass gerade beim Thema Basisdemokratie ein recht breiter Konsens _für_ bundesweite Volksentscheide herrscht (entsprechende Gesetzesvorschläge gab es), für geringe Schranken bei der Europäischen Bürgerinitiative (siehe Gerald Häfners Arbeit) und für Informationsfreiheitsrechte (ich erleb es gerade bei uns in Bayern, wo es entsprechende Gesetze auf Landesebene noch nicht gibt).

    Aber meiner Meinung nach viel wichtiger ist sowieso: welche unterschiedlichen Strömungen bzw. „Denkrichtungen“ gibt es innerhalb einer Partei, wie stark sind diese jeweils ausgeprägt und wie läuft die Kompromiss- oder Entscheidungfindung zwischen diesen Strömungen ab. Da mag der Fall JMStV zurzeit tatsächlich ein eher unrühmliches Beispiel sein. Trotzdem sind Aussagen wie „die Grünen sind für den JMStV“ grob vereinfachend, und die Ableitung mit der elitär zu lenkenden Masse fußt IMHO nicht mehr wirklichen auf tatsächlichen Argumenten.
    Dass @apanat das mit der Wirtschaftskrise in Zusammenhang gebracht hat, kann ich auf rein inhaltlicher Basis auch nicht nachvollziehen. Allenfalls erinnert die Argumentationsweise, wonach jeder kleine Kompromiss, der die Freiheitsrechte im Internet betrifft, gleich als Eintreten für Totalkontrolle angesehen wird, ein wenig an die Argumentationsweise einiger Neoliberalen, die jeden regulierenden Eingriff des Staates gleich als Kommunismus begreift… inhaltlich sind das freilich zwei paar Stiefel.

    Was die Technikfeindlichkeit angeht, geb ich dir zumindest bezogen auf die Großtechniken teilweise Recht. Dazu muss ich jetzt aber anmerken, dass ich bei der Piratenpartei ebenfalls eine Ablehnung der Atomkraft oder der CCS-Technologie sehe, gegen die 3. Startbahn in München oder gewisse untertunnelte Bahnhöfe, oder aktuell den nPA… da sehe ich gar nicht so viele Unterschiede, jenseits der von dir angesprochenen Gentechnik. Nur dass bei der Gentechnik jenseits vom Ausmaß einer eventuellen „Technikfeindlichkeit“ auch tatsächlich ethische Erwägungen eine Rolle spielen können, das wirst du uns doch hoffentlich zugestehen. 🙂

    Um die Diskussion in der ursprünglichen Fragestellung (Menschenbil) weiterzubringen: inwieweit folgt denn die Piratenpartei dem Leitbild des Homo Oeconomicus (oder vergleichbaren / gegensätzlichen Konzepten)? Das ist ja eine Frage, wo meines Empfindens nach tatsächlich unterschiedliche Leitbilder bei verschiedenen Parteien vorherrschen…

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